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Als wir aufwachten, haben wir zu unserem Erstaunen bemerkt, dass unsere Befürchtungen sich dann doch nicht bewahrheitet haben und uns keiner überfallen und gekidnapped hat, obwohl die Gegend die besten Voraussetzungen dafür geboten hätte. Es könnte durchaus an der Hochsicherheitseingangstür und den Gitterstäben an den Fenstern gelegen haben 🙂 .
Bei dem Versuch sich zurecht zu machen, bildete sich bei der Erdgeschossfraktion ein kleiner Stau vor dem Bad, denn dieses war nicht so richtig groß dimensioniert. Während sich also Tiho, Miro, Darko und Dejan mit dem kleinen Bad begnügen mussten, konnten sich Marcel und Christian im gefühlten 50 quadratmeter großen Bad im Keller ausbreiten. Frisch geduscht marschierten wir dann los zu unseren SAABs, denn um 11 Uhr startete der ganze Allgäu-Orient-Tross vom Hippodrom aus zur Fähre, die uns auf den asiatischen Teil Istanbuls bringen sollte.
Überraschenderweise war der Marcel die Führungsspitze unserer Sechsergruppe und stapfte mit seinem Rollkofer voraus. Und zwar mit einer Geschwindigkeit, die uns erstaunte. Er entfernte sich immer mehr von der restlichen Truppe, bis Miro und Darko die glorreiche Idee hatte, in eine Seitengasse einzubiegen und dort zu warten, bis der Marcel erkannte, dass fünf seiner Jungs fehlten und er den ganzen Vorsprung den er herausgelaufen hatte zurücklatschen würde, um uns zu suchen. Grinsend versteckten wir uns also hinter einer Hauswand und warteten darauf, dass der Marcel zurück kam. Die Anspannung entsprach der aus der Kinderzeit, als man „Verstecken“ gespielt hat und darauf wartete, gefunden zu werden. Wir warteten eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten,.. kein Marcel. Das Grinsen wurde durch Fraglosigkeit abgelöst und wir schauten ums Eck und sahen.. nichts. Der Marcel war weg. Von wegen Sorge um sein Team. Pustekuchen. Er ist einfach weitermarschiert Richtung Autos und hat nicht die geringste Anstalt gemacht, sich nach uns umzudrehen. Es blieb uns also nichts weiter übrig, als unser Versteck zu verlassen und staunend und kopfschüttelnd hinterher zu gehen. Bei den SAABs angekommen, fragte wir den Marcel. ob er denn gemerkt hatte, dass wir plötzlich verschwunden waren. „Klar“, antwortete er lässig, „aber ihr seid ja schon groß genug um alleine hierher zu finden!“ 🙂
Um 11 Uhr gingen wir dann zur Tribüne, wo sich alle Teams versammelten um die legendäre „Istanbul-City-Sonderprüfung“ zu bestreiten. Wir sollten vom Hippodrom aus durch den Istanbuler Verkehr zum Hafen fahren und uns bei der Fähre versammeln. Für die Teams die zuerst dort ankamen, gab es wieder Sonderpunkte. Der Start erfolgte in „LeMans“-manier und alle Rallyeteilnehmer spurteten zu ihren Rallyeboliden, starteten diese und fuhren los. Da es nur eine Richtung vom Hippodrom zum Hafen gab und alle Teams diese Richtung einschlugen, dauerte es keine halbe Minute, und auf dem Platz ging nichts mehr. Kreuz und quer standen die Autos und es ging weder vor noch zurück. Außer bei uns. Denn wir wären nicht die SAABenteurer, wenn wir nicht einen anderen Plan gehabt hätten. Laut Stadtplan konnte man nämlich auch genau in der entgegengesetzten Richtung das Hippodrom verlassen und mit einem kleinen Umweg wieder zum Hafen gelangen. Und so konnte man drei gelbe SAAB beobachten, die eine komplett andere Richtung wählten, als alle anderen Teams. Wir staunten selber nicht schlecht, als wir merkten, dass es echt recht flott voran ging. Man muss betonen, dass diesmal die zwei „Raudis“ Dejan und Christian die Führung übernahmen und sich im Istanbuler Chaosverkehr sichtlich wohl fühlten, denn sie konnten alle anderen Verkehrsteilnehmer bedenkenlos schneiden und ihr Liebligsgerät am Auto, die Hupe, voll einsetzen. Dieser Fahrweise ist es zu verdanken, dass wir als erste den Hafen erreichten: es war weit und breit kein anderes Rallyeteam zu sehen. Dummerweise waren die zwei Jungs aber so in Fahrt, dass sie, anstatt am Hafen zur Fähre zu fahren, einfach im Istanbuler Verkehr weiterfuhren und uns wieder von unserer Fähre weglotsten (egal Jungs, wir sind trotzdem Stolz auf euch und eure Fahr- bzw. Drängelkünste im „Istanbulverkehrschaos“). Also fuhren wir schon mal vorab nach Asien, indem wir die Bosporusbrücke überquerten, machten dann natürlich „ganz legal“ 😉  hinter der Brücke eine Kehrtwende und fuhren wieder nach Europa zurück, um nun wirklich unsere Fähre zu erreichen. Am Sammelpunkt angekommen, staunten wir nicht schlecht, als wir, trotz des „kleinen“ Umweges nach Asien, trotzdem unter den Ersten die Fähre erreichten.
Das Verschiffen der Autos ging recht flott, so dass wir kurze Zeit später auf dem Wasserweg Richtung Asien schipperten. Im asiatischen Teil Istanbuls angekommen, starteten wir die Suche nach dem Stadtteil „Sancaktepe“, wo wir unser Kastanienbäumchen, dass wir die letzten sieben Tage im Auto gehegt und gepflegt haben, im „Park der Allgäu-Orient-Rallye“ einpflanzen sollten. Leichter gesagt als getan: erst mal muss man „Sancaktepe“ in der Millionenmetropole finden. Wir sind uns bis heute nicht so richtig im Klaren, wie wir den Park dann doch gefunden haben, waren aber beruhigt, als wir später von den anderen Teams erfuhren, dass auch sie es bis heute nicht wissen.
Im Park pflanzten wir dann unser Kastanienbäumchen ein und goßen es mit einem Eimer Wasser: auf dass es groß und stark werde.
Nachdem nun alle Aufgaben in Istanbul erfüllt waren, freuten wir uns endlich wieder unterwegs zu sein und unser nächstes Etappenziel, Ankara, anzuvisieren. Unterwegs stellte sich dummerweise heraus, dass die viele Sonne beim gestrigen
Mini-Babycar-Rennen einigen Teammitgliedern nicht so gut getan hat, so dass diejenigen das Fahren den Fitteren überließen. Trotzdem ging es recht zügig voran und die gelben SAABs näherten sich unaufhaltsam der türkischen Hauptstadt Ankara. Pausiert wurde nur, um das nötigste zu erledigen (bzw. um sich unnötigen Balastes zu entledigen 😉 ).
Als jedoch der Hunger sich bemerkbar machte und unsere SAABs auch mal nach Treibstoff verlangten, steuerten wir eine typische Fernfahrerraststation im tiefsten Herzen der Türkei an. Wir betankten unsere Boliden und suchten uns aus unserem Vorrat eine Kleinigkeit zu essen. Bis auf…
Ja, bis auf Marcel. Denn der Marcel wollte sich unbedingt in der türkischen Truckerwirtschaft etwas zu Essen holen:
„Ich geh mal da rein!“
„Wo rein?“
„Na in die Kneipe da.“
„Hä?“
„Bin gleich wieder da. Hol‘ mir nur ’nen Snack!“, und weg war er.
Wir staunten immer wieder aufs neue, wie schnell unser Marcel verschwand. Fünf Minuten später, kam er zurück: zwar ohne Snack, dafür aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Und? Haben die Nix?“ fragten wir erstaunt.
„Hahaha! Doch!“ lachte der Marcel.
„Wie doch? Haben die jetzt ’nen Snack gehabt oder nicht?“ bohrten wir weiter.
„Hahaha! Haben sie!“ antwortete er.
„Und?“
„Sie wollten ihn einpacken! Hahaha!“
„Ist doch super Service von denen. Warum haste nix mitgenommen?“ wunderten wir uns.
„Hahaha! War nicht so nach meinem Gechmack!“
„Hä? Wie jetzt?“
Und dann lachte Marcel los: „Die wollten mir ’nen ganzen Schafskopf einpacken! Hahaha! So als Snack zwischendurch! Hahaha!“ War ja klar, daß nur dem Marcel so was passieren kann: wem denn sonst? Wir schauten uns erst alle ungläubig an und kriegten uns dann alle vor Lachen nicht mehr ein.
Gut gelaunt ging es dann weiter. Wir erreichten Ankara kurz nach Einbruch der Dunkelheit und waren guter Dinge, schnell die „Cankaya“-Universität zu erreichen, wo wir freundlicherweise alle (also alle Rallyeteams) übernachten durften. Es dauerte auch nicht lange, und wir fanden die Universität. Dumm nur, dass es die falsche Universität war. Denn Ankara hat drei große Universitäten, was wir natürlich nicht wussten. Also weiter zur zweiten. Und jetzt nahm das „Drama“ seinen Lauf. Denn so leicht wir die erste Uni gefunden haben, die anderen zwei Unis waren nicht zu finden. Egal wen wir fragten, er schickte uns immer wieder zur ersten Uni. Wir irrten locker eine Stunde durch Ankara, bis der Tiho keinen Bock mehr hatte und ein Taxi anhielt, dass uns zur nächsten Uni fahren sollte. Es muss ein Bild für Götter gewesen sein, denn alle Leute schauten uns grinsend hinterher: ein gelbes Taxi verfolgt von drei gelben SAAB. 🙂 Natürlich fuhr uns das Taxi erst einmal zur zweiten falschen Uni und es dauerte dann noch einmal eine halbe Stunde, bis wir die „Cankaya“-Universität erreichten. Die Studeneten der Universität haben für uns einen Grill mit türkischen Spezialitäten organisiert, den wir gegen einen kleinen Unkostenbeitrag, gerne in Anspruch nahmen. Es schmeckte hervorragend. Und da ein voller Magen bekanntlich müde macht, machten wir noch schnell ein Foto mit unserer selbst gebastelten Schultüte, und suchten uns in der Sporthalle der Universität ein ruhiges Plätzchen, wo wir unser Nachtquartier aufschlugen und ins Land der Träume entschwanden. 🙂

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